Portrait Coralie Spätig

Das Spielfeld dient Ihr zum Ausgleich


EMANZIPATION AUF DEM RASEN – Einmal den Fussball zum Beruf machen – das ist für viele ein Traum. Für Coralie Spätig ist es stets ein Hobby geblieben.

DÖTTINGEN (nm) – Die Erinnerungen reichen bis auf das Jahr 2002 zurück. «Wir nannten uns die Dinostampfer», sagt Co­ralie Spätig mit einem Schmunzeln im Gesicht. Unter diesem Namen nahm sie damals mit ihrer Primarschulklasse an ei­nem Schülerturnier teil. Ob sie gewonnen haben, das ist aufgrund einer Gedächtnis­lücke unklar. Aber eines ist sicher: Seit­ dem ist sie dem Fussball treu geblieben.

Mit acht Jahren besuchte sie schliess­lich auf Anraten eines Freundes ein Pro­betraining beim FC Brugg, nur wenige Minuten von ihrem Zuhause entfernt. Sie wurde gut im Team aufgenommen. Über­raschender reagierten hingegen jeweils die gegnerischen Mannschaften, als bei den Spielen plötzlich ein Mädchen auf­tauchte. Doch Einfluss auf ihre Akzep­tanz hatte das nie.

SIE HAT DISZIPLIN GELERNT UND BLIEB AM BALL

Erst nach einem Umzug wechselte sie den Verein und spielte darauf für den FC Döttingen. Eine Karriere auf Profi­niveau war für sie allerdings kaum ein Thema. Fussball war für Spätig stets ein Hobby, ein Ausgleich, der ihr Spass mach­te. Doch sie nahm auch wichtige Lektio­nen mit: «Ich habe Disziplin und Ehrgeiz gelernt. Mit Niederlagen umzugehen und weiterzukämpfen, egal wie aussichts­los das Spielresultat war.» Diese Erfah­rungen halfen ihr auch im beruflichen und privaten Alltag Herausforderun­gen zu meistern. Als sie ins Teenageral­ter kam, verschoben sich die Prioritäten der heute 30­-Jährigen. Der Altersunter­schied sowie die unterschiedlichen In­teressen zu den Jungs wurden zuneh­mend spürbar. Sie legte eine Pause ein und kehrte dem Verein den Rücken. In den folgenden sieben Jahren spielte Spätig weiterhin in ihrer Freizeit, in der Schule oder an Plauschturnieren Fuss­ball. 2012 trat sie dem FC Döttingen er­ neut bei, nachdem dort 2008 eine Frau­enmannschaft gegründet wurde. Damit änderte sich auch ihre Rolle innerhalb einer Mannschaft. Während sie früher bei den Jungs noch im Hintergrund war, übernahm sie bei den Frauen dank ih­rer langjährigen Spielpraxis eine wich­tige Rolle. Trotzdem war die Zeit davor für sie prägend, insbesondere hinsichtlich der Entwicklung ihrer eigenen Qualitä­ten auf dem Platz. Spätig empfiehlt des­halb jedem Mädchen, so lange wie mög­lich mit den Jungs zusammenzuspielen, weil das Spiel dort schneller, härter und technisch anspruchsvoller ist. Dadurch ging sie selbst mehr Risiko ein und ver­lor die Angst vor Zweikämpfen.

DIE HEIM-EM ALS CHANCE

Inzwischen ist der Fussball für die Innen­verteidigerin ein Ventil geworden, um Stress abzubauen, und bietet eine will­kommene Abwechslung zu ihrem Beruf als Kommunikationsberaterin und Illust­ratorin. Wenn sie auf die letzten Jahre des Frauenfussballs in der Schweiz zurück­blickt, hat sie eine klare Meinung: «Es stimmt mich zuversichtlich, dass die För­derung des Frauenfussballs heute ernster genommen wird. Somit werden auch die Ungleichheiten besser aufgedeckt und of­fener angesprochen.» Ganz allgemein tut sie sich nach wie vor schwer damit, wenn zum Beispiel Männermannschaften be­vorzugt auf dem Hauptplatz spielen
dürfen, während die Frauen auf weniger gepflegten Nebenplätze ausweichen sollen. Oder dass den Männern umfangreichere Ausrüstungen und Ressourcen zur Ver­fügung stehen. Entsprechend hofft sie, dass infolge der Frauen­ EM 2025 in der Schweiz das Ansehen für den Frauenfuss­ball weiter zunimmt. Und dass es Mäd­chen dazu inspiriert, mit Fussball anzufan­gen, ohne dass es wie bei ihr vor 23 Jahren noch als ungewöhnlich angesehen wird.­

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